Alleinerziehend am

Es ist eine schier endlose Tragödie in diesem Land: Was den Alleinerziehenden zugemutet wird, ist einfach ungerecht. Schließlich sollen die Kinder später einmal die Wirtschaft und das Sozialsystem Deutschlands aufrechterhalten. Doch wirklich gedankt wird einem für die viele Aufopferung nicht…

Wenn der Ex-Partner keinen Unterhalt für die Kinder zahlt, springt das Jugendamt ein. Bis vor Kurzem allerdings auch nur bis zum zwölften Lebensjahr. Und dann? Für viele Alleinerziehenden war die Folgezeit oft ein Absacken in tiefrote Zahlen.

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Was es bedeutet, alleinerziehend zu sein

Eine alleinerziehenden Mutter, die wohl alle typischen Probleme der Single-Eltern durchleben musste, ist Angelika Relling*. Vermutlich war sie die beste Kundin der Kleiderkammer. Jeden einzelnen Secondhand-Laden kannte sie in der Stadt. Auch die Kleinanzeigen hatte sie sich stets angeschaut. Wenn es etwas „zu verschenken“ gab, war sie meist die erste, die zum Telefon griff.

„Meine Kinder haben gebrauchte Ein-Euro-Pullover getragen“, erklärt sie. „Bis zu ihrem siebten Lebensjahr konnten wir uns keine neuen Kleider leisten und nie ein neues Spielzeug.“

Seit der Trennung von ihrem ehemaligen Partner sorgt die heute 44 Jahre alte Frau alleine für ihre beiden gemeinsamen Kinder. Als berufstätige und alleinerziehende Mutter eines Sohnes und einer Tochter war es schon früher schwer genug, ein normales Leben zu führen und die Familie und den Beruf unter einen Hut zu bekommen.

Sie gehört zum großen Anteil der Alleinerziehenden, die nie einen Cent Unterhalt für ihre Kinder bekommen haben. Unter solchen Umständen nicht zu verarmen, ist schon schwer genug.

Und obwohl sie in einer Vollzeitstelle mit Führungsposition arbeitet und eine Niederlassung einer Teilzeitfirma leitet, ist es für sie finanziell sehr schwer. Damit das Geld reicht, muss sie zusätzlich am Wochenende arbeiten gehen und nimmt dafür gleich mehrere Nebenjobs an.

Kein Einzelfall

Angelika Müller ist mit ihren Problemen kein Einzelfall. Rund 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Sie zum Großteil von akuter Armut bedroht. Der Hauptgrund für den sozialen Abstieg der Alleinerziehenden ist häufig der nicht gezahlte Kindesunterhalt.

Nach Angaben des Bundesverbandes alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) erhalten unglaubliche 75 Prozent der Kinder mit Anspruch auf Unterhalt diesen entweder gar nicht oder aber nur in einer viel zu niedrigen Höhe.

Ein-Eltern-Familien haben mit rund 42 Prozent das größte Armutsrisiko aller Familienformen. Und das, obwohl die meisten Frauen hoch motiviert sind und gerne mehr arbeiten würden.

Die Zahl der Erwerbstätigkeit der alleinerziehenden Frauen ist hoch und steigt fortwährend an.

Viele können sich nicht in die Situation eines Alleinerziehenden versetzen

Wie schwer das Leben ohne den Unterhalt ist, können sich viele einfach nicht vorstellen. Um welche Summen geht es also bei den Alleinerziehenden, wenn von ausbleibendem Unterhalt die Rede ist?

Der Mindestunterhalt, den meistens der von der Familie getrennt lebende Vater zahlen muss, beträgt 342 Euro. Von diesem Betrag wird das Kindergeld zur Hälfte angerechnet, was bedeutet, dass es zur Hälfte abgezogen wird. Für ein sechs bis elfjähriges Kind bleiben dann im Schnitt rund 300 Euro.

Zahlt ein Elternteil diesen Unterhalt nicht, dann kann das Jugendamt mit dem sogenannten Unterhaltsvorschuss helfen. Dies ist eine staatliche Unterstützung, die nahezu unverzichtbar für die Alleinerziehenden geworden ist.

Allerdings gibt es ein Problem: Der Unterhaltsvorschuss beläuft sich nicht in der Höhe des Unterhalts, der dem Kind normalerweise zustehen würde. Es ist weniger. Für Kinder bis zu elf Jahren liegt der Unterhaltsvorschuss bei gerade einmal ca. 200 Euro, teilweise auch weniger.

Damit hat die Ein-Eltern-Familie deutlich weniger Geld zur Verfügung, als ihr eigentlich durch die Unterhaltszahlungen des Ex-Partners zustehen würde.

Bis zum letzten Jahr war es allerdings noch um einiges schlimmer: Der Unterhaltsvorschuss wurde nämlich maximal bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes gezahlt.

Der Anspruch auf Kindesunterhalt bleibt allerdings bis zum Abschluss der ersten Ausbildung bestehen, was bedeutet, dass die Alleinerziehenden und ihre Kinder teilweise mehrere Jahre auf Hunderte Euro monatlich verzichten mussten. Dabei ist gerade bei den älteren Kindern und Jugendlichen immer ein erhöhter finanzieller Aufwand notwendig, beispielsweise für Nachhilfeunterricht, für Klassenfahrten, für die Kleidung oder für Freizeitaktivitäten.

Kein Wunder also, dass viele Alleinerziehende nur knapp vor dem Abgrund stehen und jederzeit in Harzt IV abrutschen können.

Oft fehlt auch der richtige Job

Auch die Ausgangslage am Arbeitsmarkt ist nicht gerade optimal. Alleinerziehenden habe es somit doppelt schwer. Besonders ärgerlich ist, dass den Alleinerziehenden ein schlechter Ruf vorauseilt.

Vorher das kommt, weiß wohl niemand so richtig. Doch Fakt ist, dass sich Alleinerziehende mit Kindern unter drei Jahren teilweise schlechter vermitteln lassen, als Personen ohne Ausbildung oder ohne Deutschkenntnisse. Schuld daran sind zum Beispiel Vorurteile wie hohe Fehlzeiten der Alleinerziehenden.

Viele Arbeitgeber gehen davon aus, dass die Alleinerziehenden öfter fehlen würden und unflexibler wären, weil sie sich zusätzlich auch noch um das Kind kümmern müssen. Natürlich ist das zumindest teilweise richtig, doch haben Alleinerziehende häufig insgesamt weniger Fehlzeiten als kinderlose Arbeitnehmer. Sie sind pflichtbewusster und bleiben nicht gleich wegen einer laufenden Nase zuhause.

Armut bei den Alleinerziehenden

Laut einer Bertelsmann-Studie beziehen Ein-Eltern-Familien im Vergleich zu Paarfamilien im Bundesdurchschnitt etwa fünf Mal häufiger Hartz IV. Und: Jedes zweite der 1,9 Millionen Kinder, die von Grundsicherung leben, wächst in Armut auf.

Warum wehren sich viele Frauen nicht?

Wie schon erwähnt ist der überwiegende Anteil der Alleinerziehenden weiblich. Beinahe die Hälfte dieser erhält keinen oder nur unzureichenden Kindesunterhalt.

Doch warum wehren sich die Frauen (in vereinzelten Fällen auch die Väter) nicht? Immerhin ist das Nichtnachkommen der Unterhaltspflicht in Deutschland eine Straftat. Zumindest dann, wenn der Unterhaltspflichtige eigentlich zahlen könnte.

Der Grund ist meist, dass sich viele Mütter vor Konflikten scheuen. Sie wollen nicht noch mehr Ärger mit ihrem Ex-Partner haben. Sie befürchten, dass eine juristische Auseinandersetzung das Verhältnis zwischen Vater und Kind zusätzlich belasten könnte. Sie sagen sich dann einfach: Ich schaffe das schon alleine. Oder aber sie akzeptieren, dass der Ex-Partner viel zu wenig, unregelmäßig oder auch gar nicht überweist.

Ratsam ist in solchen Fällen, den Konflikt mit den Unterhaltsverweigerern dennoch einzugehen. Immerhin geht es um das Geld für das Kind – nicht etwa um eine Spende oder Almosen.

Wie sollte man als alleinerziehender Elternteil am besten vorgehen?

Als erstes sollte man versuchen herauszufinden, wie viel der Ex-Partner an Einkommen hat, um somit die Höhe der Unterhaltsansprüche des Kindes zu formulieren. Dazu kann der alleinerziehende Elternteil alle zwei Jahre das Einkommen des Unterhaltspflichtigen erfragen. Zunächst reicht hierzu auch ein Brief mit Einwurf-Einschreiben. In diesem Brief sollte der Alleinerziehende den anderen Elternteil dazu auffordern, Unterhalt zu zahlen. Wichtig ist außerdem, dass man in dem Brief die Auskunft über dessen Einkünfte verlangt.

Ein Selbstständiger muss beispielsweise die Steuerbescheide samt Anlagen der letzten drei Jahre vorweisen. Bei Nicht-Selbstständigen dürfen die letzten zwölf Gehaltsabrechnungen plus Steuererklärung und Bescheid angefordert werden.

Sollte der Ex-Partner nicht reagieren, ist es ratsam, einen Anwalt hinzuzuziehen. Sollte es dann letztlich zu einem Gerichtsbeschluss kommen, der die Unterhaltspflicht sowie die entsprechende Höhe der zu zahlenden Leistungen festlegt, muss der nicht zahlende Elternteil sogar rückwirkend zahlen – und die Anwaltskosten obendrein.

Warum wollen viele Väter nicht zahlen?

Leider sind es in den meisten Fällen die Väter, die den Unterhalt einfach nicht zahlen wollen. Die Gründe sind dabei recht schlichter Natur. sehr oft allerdings möchte der Mann, der von der Frau verlassen wurde, diese einfach nur bestrafen, indem er ihr keinen Unterhalt zahlt.

Dass der Mann letztlich nicht nur die Mutter sondern auch das eigene Kind bestraft, ist ihm teilweise nicht einmal bewusst. Männer unterstellen der Frau oft, sie wolle sich mit den Zahlungen ein schönes Leben machen.

Weitere Gründe für die Armut Alleinerziehender

Neben dem oft nicht gezahlten Unterhalt gibt es noch weitere Ursachen dafür, weshalb Alleinerziehende in die soziale Schieflage geraten. Besonders schwer ist die Balance aus Job und Erziehung. Der Akt ist nicht einfach:

Viele Alleinerziehende müssen möglichst viel arbeiten, damit das Geld auch nur annähernd ausreicht – auf der anderen Seite benötigt der Nachwuchs aber auch viel Aufmerksamkeit. Nicht selten stehen die Alleinerziehenden dann vor einem schweren Zwiespalt: Wie weit können sie die Arbeitszeit überhaupt reduzieren, um mehr Zeit für die Kinder zu haben?

„Ich habe meine Tochter seit ihrem zweiten Lebensjahr alleine großgezogen und war immer berufstätig“, erklärt Sabine Bertel*. Die 41 Jahre alte Frau aus Düsseldorf entschloss sich dazu, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, als sie bemerkte, dass die schulischen Leistungen ihrer Tochter nachließen und auch das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter immer schlechter wurde.

Ihren Job, den sie im Einzelhandel hatte, konnte sie dann nicht mehr in Vollzeit nachgehen. Sie musste ihn für ihre Tochter anpassen, um sämtliche Bedürfnisse in Einklang zu bringen. Doch dadurch hat die Familie nun ein deutlich geringeres Einkommen.

Unterhalt für ihre Tochter hat auch Sabine übrigens noch nie gesehen. Dabei ist ihr Ex-Partner ein bekannter Künstler. Auch er hat nach der Trennung noch einmal neue Kinder bekommen. „Ich spare nichts und zahle zu wenig für meine Rente ein. Unterstützung bekomme ich von meinen Eltern, vom Staat nicht“, sagt Sabine ernüchternd.

Auch Kritiker fordern mehr Unterstützung für Alleinerziehende

Durch eine geeignete Reform des Ehegattensplittings erhoffen sich Kritiker seit einiger Zeit, dass sich die Lage für Betroffene etwas verbessert – bislang werden nämlich nur gut verdienende Paare steuerlich begünstigt. Die SPD schlägt vor, ein Familiensplitting mit einer Kinderkomponente einzuführen. Dies würde die Kinder als ein besonderes Kriterium in den Vordergrund stellen. Außerdem würden dadurch alle Eltern profitieren – egal ob sie verheiratet sind, unverheiratet oder alleinerziehend.

„Ich höre immer wieder, dass sich die Frau auf ihren Mann verlassen hat“, berichtete Nicola Berkhoff vom VAMV in Nordrhein-Westfalen aus ihren Beratungen alleinerziehender Mütter.

Demnach scheinen viele Frauen auch einfach keinen Durchblick in den finanziellen Angelegenheiten ihres Mannes zu haben. Oftmals auch nicht dann, wenn es die finanziellen Angelegenheiten beider sind.

Meist würde sich ein Paar für das klassische, steuerbegünstigte Modell entscheiden. Der Mann ist dann der Besserverdiener. Für die Frau gibt es nicht mehr den Anreiz, arbeiten zu gehen, sondern sich um Haus und Kind zu kümmern.

Doch häufig führt gerade dieses Muster für die Frauen zur Armut, wenn das Paar auseinander geht. Wenn dann auch noch der Unterhalt ausbleibt, ist die Frau gleich doppelt im Nachteil.

* Namen von der Redaktion geändert

Bildquelle:© Kristin Gründler – Fotolia.com

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