Auffällig: Kein anderes Land in Europa erhält so viele Anträge auf Asyl wie Deutschland. Grund hierfür ist natürlich nicht die besonders schöne Lage oder die wunderbare Natur, sondern das einzigartige Sozialsystem. Kein Wunder, dass viele Flüchtlinge all ihre Hoffnung auf eine Bleibe in Deutschland setzen.

Im vergangenen Jahr wurden knapp 127.000 Anträge auf Asyl gestellt – deutlich mehr als in unserem Nachbarland Frankreich. Dort waren es gerade einmal 66.000 Anträge auf Asyl im letzten Jahr.

Doch was genau ist die Ursache dafür, dass sich die fliehenden Menschen gerade von Deutschland so magisch angezogen fühlen? Diese Frage hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in einem Report aufgenommen. In dem Report, der den Namen „Warum Deutschland?“ trägt und der im Jahr 2013 veröffentlich wurde, findet man eine Reihe wichtiger Antworten auf diese Frage.

Erster Grund: Viel Verwandtschaft

Wenn jemand sein Heimatland verlässt und in die weite, unbekannte Welt auswandert, um nach einer neuen Bleibe zu suchen, beschäftigt den Asylsuchenden vor allem eine wichtige Frage: Wo lebt schon ein Teil der Verwandtschaft oder zumindest viele Landsleute? Logisch, denn in ein völlig unbekanntes Land, in dem man ganz auf sich alleine gestellt ist, möchte kaum jemand freiwillig auswandern. Viele Migranten entscheiden sich somit für Deutschland – denn hier leben in der Regel besonders viele Landsleute oder Verwandte.

Für jemanden, der aus seinem Heimatland flieht, ist solch eine seelische Unterstützung von unschätzbarem Wert. Denn sie haben die Hoffnung, auf jemanden zu treffen, der ihnen zuhört, der sie versteht, der ihnen Halt gibt und der praktische Tipps für die Anfangsphase bieten kann.

Bei einer Befragung stellte sich heraus, dass etwa ein Drittel der Asylbewerber aufgrund der familiären Situation Deutschland ausgewählt hatte. Besonders wichtig seien die familiären Beziehungen laut der Umfrage für alleinreisende Frauen und unbegleitete Minderjährige: Sie würden nahezu immer dorthin gehen, wo sie Kontakte hätten.

Dass hier in Deutschland bereits viele Familienmitglieder in den letzten Jahrzehnten Fuß fassen konnten, liegt an der Politik der vergangenen Jahre: Im 20. Jahrhundert durften viele „Gastarbeiter“ aus der Türkei und Flüchtlinge aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens nach Deutschland kommen.

Schaffen es die Flüchtlinge tatsächlich nach Deutschland, versuchen sie alles, um in der Nähe ihrer Communitys angesiedelt zu werden. So scheint Berlin beispielsweise besonders attraktiv für Russen, Serben und Vietnamesen zu sein, Hamburg wird vor allem von Afghanen bevorzugt, München von Irakern und Syrern.

Zweiter Grund: Die Schleuser

In dem Report wurde zudem erklärt, dass auch die Schleuser viel dazu beitragen, wo die Reise der Flüchtlinge endet. Hierbei gilt: Je strikter die Regeln in einem Land, desto eher sind Flüchtlinge auf die Dienste von Schleusern angewiesen. Diese erledigen innerhalb einer Art organisierten Dienstleistung alles, was es für die Einreise bedarf: Angefangen beim Transport bis hin zur Beschaffung von gefälschten Papieren.

Ein Teil der Menschen, die die teuren Dienste der Schleuser nutzen, können sogar selbst bestimmen, in welches Land sie einreisen. Doch viele befragte Flüchtlinge erklärten, dass die Schleuser sie einfach in Deutschland abgesetzt hätten. Experten schätzen, dass Deutschland für die Schleuser vor allem aufgrund der hohen Erfolgsaussichten auf Asyl ein beliebtes Zielland darstellt.

Dritter Grund: Das Rechtssystem

Doch auch das Rechtssystem scheint den Flüchtlingen zu gefallen: Je gebildeter ein befragter Flüchtling war, desto detaillierter konnte dieser beschreiben, was ihn am Rechtsstaat Deutschland besonders gefällt. Andere wiederum fühlten sich in Deutschland einfach am sichersten.

Zudem erklärten viele Befragte, dass die Qualität des deutschen Asylsystems gut sei. Scheinbar gab es auch über die Übergriffe durch die deutsche Polizei deutlich weniger Schreckensgeschichten, als über die Polizei anderer Länder.

Vierter Grund: Knotenpunkt-Lage

Tatsächlich müssen Asylbewerber laut geltendem Recht in dem EU-Land einen Antrag auf Asyl stellen, in das sie zuerst kommen. Wie kann es sein, dass viele Bewerber auf Asyl jedoch in Deutschland den Antrag stellen, wenn sie nicht mit dem Flugzeug eingeflogen wurden?

Der Grund ist der, dass die meisten Flüchtlinge durch eine illegale Reise durch die EU direkt nach Deutschland kommen. Werden sie dann hier in Deutschland erwischt und ist nicht nachweisbar, über welches Land sie nach Deutschland gekommen sind, so müssen sie hier bleiben. Tatsächlich verlaufen über Deutschland jedoch auch viele Schleuser-Routen – zum Beispiel nach Frankreich, nach Großbritannien oder nach Schweden.

Sechs Prozent der befragten Asylbewerber gaben an, zufällig in Deutschland angekommen zu sein – viele aufgrund von Festnahmen.

Und: Tatsächlich landen auch einige Flüchtlinge direkt per Flieger in Deutschland, nämlich am Frankfurter Flughafen. Von dort aus sollte die Reise dann eigentlich weitergehen, doch das geltende Recht verlangt, dass die Flüchtlinge in Deutschland bleiben und einen Antrag auf Asyl stellen.

Fünfter Grund: Gutes Sozialsystem

Das deutsche Bildungssystem genießt weltweit einen guten Ruf. Vor allem Afghanen vertrauen dem deutschen Bildungssystem. Einen mindestens genau so guten Ruf hat das Gesundheitssystem Deutschlands. Während die medizinische Versorgung in den Krisenländern teilweise katastrophal schlecht ist, ist die Grundversorgung hier überdurchschnittlich gut.

Sechster Grund: Blühende Wirtschaft

Im Report wird zudem deutlich, dass (vor allem gebildete) Migranten ihre Hoffnung auf die deutsche Wirtschaft setzen. Sie planen damit, sich eines Tages selbst versorgen zu können, indem sie am Arbeitsmarkt teilnehmen.

Solche Migranten erwarten im Übrigen auch nicht, dass man sie durchfüttert. Sie wollen aus eigener Kraft am Wirtschaftsgeschehen teilnehmen und es unterstützen.

Beitragsbildquelle: © Frank Gärtner – Fotolia.com

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