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Wohnungslose Hartz-IV-Bezieher dürfen nicht zur Wohnungssuche gezwungen werden. Das Jobcenter verstößt mit entsprechenden Bescheiden gegen das Selbstbestimmungsrecht.

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Pritschenwagen rechtfertigt keine Unterkunftskosten

Das Jobcenter darf Hartz-IV-Bezieher nicht per Bescheid dazu verpflichten, einen Wohnungssitz zu suchen, wenn sie obdachlos sind. Das Landessozialgericht Stuttgart urteilte im November, dass diese Verpflichtung gegen das Selbstbestimmungsrecht des Hilfebedürftigen verstoßen würde. Hintergrund ist die Klage eines 60-jähriges Mannes, der nach eigenen Angaben seit einigen Jahren in einem Pritschenwagen schlafen.

Das Jobcenter hatte sich nach einer Besichtigung in 2013 geweigert, die Kosten für Unterkunft, Heizung sowie Kfz-Versicherung zu übernehmen. Der Wagen gewähre kein Mindestmaß an Privatsphäre. Insgesamt fehle es an der Vergleichbarkeit zwischen einer Wohnung, die für einen längeren Aufenthalt geeignet ist. Der Mann klagte jedoch auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hatte dem Jobcenter mit einem Urteil vom 10.05.2016 recht gegeben, dass ein offener Pritschenwagen kein Anspruch auf Unterkunftskosten im Sinne des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) rechtfertige. Der Pritschenwagen bestand lediglich aus einem einreihigen Fahrerhaus, einer Sitzbank mit drei Plätzen und offener Ladefläche.

Für eine Unterkunft im Sinne des SGB II bot er keine Privatsphäre für Körperhygiene, einen ungestörten Kleiderwechsel oder ein gewisses Mindestmaß an Komfort. Die Richter urteilten weiter, dass die vom Gesetzgeber festgelegten Leistungen zur Deckung notwendiger Bedarf nicht verfassungswidrig sind.

Eingliederungsverwaltungsakt nicht rechtens

Das Jobcenter erinnerte den Mann daraufhin an seine Pflicht, sich aus eigenen Bemühungen an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu beteiligen. Das Jobcenter sah vor allem die Wohnsituation als Hindernis für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Die Eingliederungsvereinbarung unterschrieb der Mann nicht, woraufhin das Jobcenter einen Eingliederungsverwaltungsakt erließ.

Der 60-Jährige solle aktiv nach einer Wohnung suchen und Kontakt zu Notunterkünften aufnehmen. Die Stuttgarter Richter entschieden nun, nachdem das Sozialgericht in Konstanz den Zwang nicht problematisch betrachtete, dass der Hartz-IV-Bezieher nicht zur Wohnungssuche gezwungen werden können.

Eingliederung nur auf Arbeitsmarkt bezogen

Die Richter des Landessozialgerichts Baden-Württemberg urteilten so, weil die Eingliederungsvereinbarung sich nur auf „die Eingliederung in den Arbeitsmarkt“ beziehe. Es fehle weiterhin der arbeitsmarktbezogene Moment, der eine Verpflichtung zur Wohnungssuche rechtfertige.

Dass die Arbeitsmarktchancen durch einen festen Wohnsitz allgemein besser ausfallen würden, reiche nicht. Weiterhin, so die Stuttgarter Richter, müsse das Jobcenter das „grundrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht“ des Hartz-IV-Empfängers wahren – insbesondere dann, wenn man sich vom eigentlichen Kern der Arbeitsmarkteingliederung entferne.

Obdachlos trotz Hartz IV – nicht immer freiwillig!

Im Falle des 60-jährigen Mannes vom Bodensee konnte das Jobcenter keine Wohnung vermitteln, weil dies nicht der Wille des Mannes war. Aber in vielen anderen Fällen können keine Wohnungen von Hartz-IV-Empfängern gefunden werden, weil unter anderem Gelder vom Jobcenter zu spät gezahlt werden oder Bewilligungen ausbleiben.

Das liegt mitunter daran, dass die Bemessungsgrenzen der Jobcenter mit den realen Mieten z.B. in Berlin, München oder Hamburg nicht einmal annähernd übereinkommen. Nach einer Studie der Humboldt-Universität zufolge seien Jobcenter sogar der „Motor von Verdrängungen und Zwangsräumungen“. Zumal sich ein schwer zu druchbrechender Kreislauf einstellt: Ohne Job keine Wohnung, ohne Wohnung keine Arbeit.

Bildquelle: © VRD – Fotolia.com

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