Verfassungswidrige Hartz-IV-Sanktionen Sozialgericht Gotha bleibt standhaft
ArbeitslosHartz 4News am

Das Sozialgericht Gotha bleibt bei seinem Standpunkt, dass es die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger für verfassungswidrig halte. Eine Entscheidung muss das Bundesverfassungsgericht noch treffen.

Gothaer Richter halten Sanktionen für verfassungswidrig

Leistungskürzungen für Bezieher von Arbeitslosengeld II sind nach Auffassung des Sozialgerichts Gotha – und etlicher Gegner – verfassungswidrig, und zwar in mehrfachen Fällen.

So sollen die Regelungen zu den Hartz-IV-Sanktionen laut der Gothaer Richter gegen die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und die Unversehrtheit des Menschen (u.a. Gesundheit der Betroffenen) verstoßen. Diesen Standpunkt hat das Sozialgericht Gotha nun erneut bestätigt.

Erster Vorlagenbeschluss wurde abgelehnt

Im August 2016 hatte das Sozialgericht Gotha, aus damals aktuellen Gründen eine Verhandlung ruhen lassen und einen Vorlagenbeschluss beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, um die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Sanktionen zu klären.

Das Bundesverfassungsgericht hatte diesen Vorlagenbeschluss aus rein formellen Gründen abgelehnt. Das Sozialgericht Gotha musste diesen daraufhin erneut einreichen.

Die Ablehnung durch das Bundesverfassungsgericht ist aber nicht gänzlich schlecht, denn sie zeigte auch, dass rein inhaltlich nichts an dem Vorlagenbeschluss auszusetzen ist. Ein Hoffnungsschimmer für Hartz-IV-Bezieher und Sanktionsgegner?

Anwaltsseite rät zum Widerspruch

Die Webseite „anwalt.de“ rät in jedem Fall zu einem Widerspruch. Betroffene sollten sich nicht mit auferlegten Sanktionen abfinden. Viele Sanktionsbescheide seien laut „anwalt.de“ ohnehin ohne rechtliche Grundlage, würden also nicht aus den erforderlichen Gründen ausgestellt. Das zeigen auch einige Fälle aus dem Gerichtsalltag.

So wurden einem Mann die Leistungen gekürzt, nachdem er unberechtigter Weise in den Urlaub gefahren war. Die Ortsabwesenheit wurde ihm aber nur aus dem Grund nicht gewährt, da er sich zuvor unkooperativ gezeigt haben soll und ohnehin immer mit Klagen drohe.

Was tun bei Sanktionsbescheid?

Der Anwalt Philipp Adam empfiehlt auf der Webseite, mit einem Rechtsbeistand den Sanktionsbescheid zu prüfen. Wichtig sei dabei, dass ein Widerspruch zwar zu stellen sei, keinesfalls aber eine aufschiebende Wirkung habe. Man müsse daher vor Gericht einen Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellen.

Sanktionen aus vielerlei Gründen gescheitert?

Das System Hartz IV und insbesondere die Leistungskürzungen sind nicht nur für Betroffene ein Graus, sondern auch für viele politische und sozialpolitische Gegner. Gerhard Schröder führte die Hartz-IV-Regeln nach dem Motto „Fördern und Fordern“ ein.

Durch die Sanktionen, so Kritiker, würden die Betroffenen aber nur unter Druck gesetzt und bestraft. Mit Arbeitsmarktvermittlung habe das nichts zu tun.

Gleichzeitig zeigen aktuelle Studien, dass Hartz IV wenig zur Vermittlung von Langzeitarbeitslosen beigetragen hat. Seit Einführung des Systems hat sich die Zahl der Dauerbezieher nicht verändert.

Experten bilanzieren weiterhin, dass viele der verordneten Vermittlungsmaßnahmen schlichtweg wirkungslos bleiben und Leistungsempfänger nicht selten nutzlose Qualifizierungen über sich ergehen lassen müssen.

Den wenigen Erfolgen steht ein hoher bürokratischer Aufwand entgegen, wie auch das ehemalige Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, laut „Süddeutsche.de“ findet.

Das ganze System habe sich zu einem „bürokratischen Monster“ entwickelt. In 2016 wurden 25 Millionen Bescheide gezählt. Zwei von drei Bescheiden würden bis zu 20 Seiten umfassen. Im gleichen Zeitraum gab es 640.000 Widersprüche und 115.000 Klagen gegen Bescheide vom Jobcenter.

Bildquelle: © Dan Race – Fotolia.com

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