am

Der neue Chef der Bundesagentur für Arbeit möchte eine umfassendere Betreuung für Hartz-IV-Empfänger einführen. Er nennt es „fürsorgliche Belagerung“, Kritiker befürchten eine exzessive Verfolgung und Einschränkung der Selbstbestimmung.

Möchten Sie von Zuhause aus Geld verdienen?

Die Betreuung soll ausgebaut werden

Detlef Scheele, neuer Chef der Bundesagentur für Arbeit, erklärte in einem Interview mit „Der Spiegel“, Hartz-IV-Familien künftig noch intensiver betreuen zu wollen. Er sieht es als seine wichtigste Aufgabe, Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind, mehr Aufmerksamkeit zu geben.

„Wenn man länger aus dem Job raus ist, braucht es manchmal einen Schubs, um zurückzukommen“, gibt Scheele gegenüber dem Nachrichtenmagazin an. Das würden auch die Vermittlungszahlen zeigen, die mit höherer Kontaktdichte besser würden.

Führt die „Belagerung“ zur Drangsalierung der Leistungsempfänger?

„Eine so verstandene fürsorgliche Belagerung finde ich sinnvoll“, so Detlef Scheele weiter. Was der Chef der Bundesagentur für Arbeit als „Fürsorge“ versteht, sehen andere äußerst kritisch. So schreibt die Seite „gegen-hartz.de“ etwa, dass eine Belagerung dem Ziel diene, „einen Gegner massiv in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken und damit moralisch zu zermürben, bis er schließlich aufgibt und tut, was der Belagerer von ihm verlangt“.

Ein kritischer Vergleich folgt sogleich: Die Seite erinnert an die Vorgehensweise im Dritten Reich und in der DDR.

Während Scheele gute Chancen in der Vermittlung sieht, wenn die Sachbearbeiter des Jobcenters häufiger Kontak zu den Arbeitslosen hätten, befürchtet „gegen-hartz.de“, dass Betroffene massiv unter Druck gesetzt werden könnten.

Eine mögliche Folge: Ständige Vorladungen würde das Leben der Hartz-IV-Empfänger so beeinträchtigen, dass sie nur darin einen Ausweg sehen, einfach einen beliebigen Job anzunehmen. Von einer sinnvollen und langfristigen Arbeitsvermittlung kann man dann nicht zwingend sprechen.

Scheele plant weitere Veränderungen

Ob die neuen Maßnahmen des BA-Chefs tatsächlich einer „Belagerung“ im militärischen Sinne gleichkommen, bleibt abzuwarten. „Wir dürfen Eltern nicht zu Hause rumsitzen lassen, weil sie ihrem Nachwuchs vorleben, von Transferleistungen abhängig zu sein“, spricht Scheele das Problem der Hartz-IV-Vererbung im SPIEGEL-Interview an. Viele Kinder „lernen“ schon zu Schulzeiten, dass Arbeitslosigkeit von der Gesellschaft geächtet wird, gleichzeitig resignieren sie, weil sie den Behördenkampf der Eltern miterleben.

Scheele will darüber hinaus weitere Veränderungen durchführen, unter anderem soll der Fokus auf Weiterbildungsmaßnahmen gelegt werden. Gleichzeitig sieht er Reformbedarf hinsichtlich des Regelwerks zu Hartz IV. Hier müsse man einfachere Strukturen schaffen, aber eine „Rückabwicklung“ der Arbeitsmarktreformen halte er für weniger sinnvoll.

Detlef Scheele war, bevor er zum 1.April das Amt des Chefs der Bundesagentur für Arbeit übernommen hat, als einfaches Vorstandsmitglied in der BA tätig. Zuvor war er Arbeitssenator in Hamburg sowie Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium. Seit Jahren beschäftigt sich Scheele mit Bildung und Beschäftigung.

Neuerungen im Sinne der SPD?

Mit seinen Plänen könnte der neue BA-Chef ganz im Sinne der SPD handeln. Im Zuge der Kandidatur von Martin Schulz legte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ein Konzept vor, das eine Reform der Agenda 2010 vorsieht – unter anderem die bessere Förderung von Langzeitarbeitslosen. Nachhaltige Verbesserungen sieht die Ministerin vor allem durch eine Expertenbetreuung im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit.

Auch Nahles berief sich auf Erfahrungen aus früheren Förderprogrammen, die gezeigt hätten, dass eine intensive Betreuung auch bei „arbeitsmarktfernen Leistungsberechtigten nachhaltige Stabilisierungserfolge“ zu erkennen waren, so berichtet Focus Online.

Bildquelle: © racamani – Fotolia.com

1 Bewertungen
5.00 / 55 1