In Hamburg nehmen Flüchtlinge an „Benimmkursen“ teil, die ihnen die Werte und Normen Deutschlands sowie soziale Tabus näher bringen sollen. Die Prioritäten liegen bei den Flüchtlingen aber oftmals woanders.
Busfahren will in Deutschland gelernt sein
Die Hamburger Polizeiakademie hat das Integrationsprojekt „Werte und Normen“ ins Leben gerufen, welches Flüchtlingen in mehreren Kursen versucht zu vermitteln, was in Deutschland gewünscht ist und was nicht.
Ehrenamtliche, selber mit ausländischen Wurzeln, fahren dann mit den Flüchtlingen zum Beispiel Bus und erklären, dass man ein Einzelfahrt für 1,60 Euro nicht mit einem großen Schein bezahlt. „Es ist nicht verboten, das 1,60 Euro-Ticket mit einem großen Schein zu zahlen. Aber eben in Deutschland unerwünscht“, erzählt die Integrationsberaterin Moska Faqiri der „Welt“.
Auch die Stimme müsse man in deutschen Verkehrsmitteln und in der Öffentlichkeit dämpfen. Etwas, was viele Flüchtlinge aus ihrer Kultur nicht kennen. „Viele Flüchtlinge kommen aus großen Familien und haben sich angewöhnt, laut zu reden, um sich Gehör zu verschaffen“, so Faqiri weiter.
Benimmregeln lernen oder Arbeit finden?
Die Integrationsberaterin bemühe sich, wie eine gute Freundin Ratschläge, aber auch Kritik zu geben. Gut kommt das nicht immer an – auch die Benimmkurse insgesamt sinken in ihrer Beliebtheit. „Wir merken, dass die Leute ungeduldig werden“, erklärt der Projektverantwortliche Wulf Köpke.
Viele Flüchtlinge sitzen seit Jahren in den Gemeinschaftsunterkünften und wollen lieber in eine eigene Wohnung ziehen, eine Arbeit finden, Bewerbungen schreiben, als Benimmregeln für das Busfahren lernen.
Vor allem junge Flüchtlinge wollen schnell lernen, was sie bei Bewerbungen und am Arbeitsplatz beachten müssen. Älteren Zuwanderern falle die Integration hingegen schwerer. Sie können die „unsichtbaren“ Regeln in der Gesellschaft weniger gut erkennen.
Erfolgversprechend sei aber, dass die Integrationsberater selber ausländische Wurzeln haben und die hiesigen Werte und Normen besser vermitteln und besser auf die Flüchtlinge eingehen können. „Unsere Muttersprachler können sich den Menschen anders nähern als ein deutscher Sozialarbeiter“, so Köpke weiter.
Einige lernen ganz ohne Kurs
Vielen Flüchtlingen kann es gar nicht schnell genug gehen. „Eine eigene Wohnung wäre für mich wichtiger als jeder Integrationskurs“, so der 32-jährige Yusuf zu „Welt“. Der Neu-Hamburger findet außerdem, dass die Unterschiede zwischen seiner Heimat Syrien und Deutschland gar nicht so groß seien. Man müsse sich nur gewöhnen.
„In meiner Heimat leben die Geschlechter getrennt.“ In Deutschland sei das nicht der Fall, bemerkt der Syrer. Und das habe er ganz ohne Kurs gelernt. „Natürlich gebe ich Frauen jetzt die Hand.“
Rechtsunterricht an Volkshochschulen
Eine etwas andere Art von Integrationskurs bietet das Land Baden-Württemberg am Mai an: 300 Juristen sollen an Volkshochschulen über Gesetze und Werte referieren und Flüchtlingen so den Start in Deutschland erleichtern.
Rechtsstaatlichkeit, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung: Die Kurse sollen nur einen halben Tag dauern, je vier Einheiten zu 45 Minuten.
„Wir verlangen, dass unsere Rechtsordnung eingehalten und unsere Werte respektiert werden“, sagte der Justizminister Guido Wolf laut „Schwäbischer Zeitung“. „Daher müssen wir diese auch vermitteln.“ Dazu habe man sich die Unterlagen von vergleichbaren Kursen in Hessen und Bayern angeschaut.
Aus Sicht der Volkshochschulen, die laut Wolf wichtigsten Träger für Integration, sei es besonders gut, „wenn die Vermittlung dieser Werte direkt durch die Personen erfolgt, die unsere Ordnung auch alltäglich repräsentieren“, so Volkshochschulverbandsdirektor Hermann Huba.
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