Hartz 4News am

Die Schlagzeile der BILD-Zeitung hat es in sich: „Mehr Hartz IV für Kneipenbesuche“. Ein paar Wörter nur, aber mit einer Aussage, bei der die Pulsadern vieler Leser unweigerlich anschwellen. Eines schon mal vorweg: Die Forderung stimmt.

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Schlagzeile sorgt für Empörung

Das hat gerade noch gefehlt. „Nicht arbeiten, trotzdem Geld einstreichen, und jetzt sollen sie auch noch das Saufen bezahlt kriegen!“ Viele Leser der BILD-Schlagzeile reagieren spontan mit Wut. Gängige Vorurteile gegen Hartz-4-Empfänger scheint diese Ankündigung zu bestätigen. Schon in der Vergangenheit, wenn die Bezüge um ein paar Euro angehoben wurden, meinten manche, dass die Bezieher das Geld doch nur für mehr Zigaretten und Alkohol ausgeben würden.

Auch Hartz-4-Empfänger sind empört. Die meisten von ihnen wollten lieber heute als morgen aus ihrer misslichen Lage heraus. Das ist nämlich keineswegs so einfach, wie oft behauptet. Sozialhilfeempfänger leiden oft genug unter der Voreingenommenheit ihrer Mitmenschen. Nun fühlen sie sich erneut diskriminiert, und zwar massiv.

Künstliche Sensation

Mit ihrer Schlagzeile beweist die Boulevardzeitung erneut ihr Talent für aufregende Schlagzeilen, die Ungeheuerliches behaupten. Typisch dafür: Die Zeile ist nicht gelogen, erzeugt jedoch in den Köpfen der Leser eine andere oder sogar gegensätzliche Auffassung. Das gilt zum einen für die geschickt formulierte und dabei reißerische Aussage an sich. Zum anderen arbeitet die Zeitung mit optischen Mitteln.

Direkt über der fettgedruckten schwarzen Schlagzeile steht noch ein kleiner Zusatz, sogar in Rot: „Sozialverband fordert“. Dieser allerdings dürfte von den meisten Lesern in ihrer spontanen Wut nicht wahrgenommen werden. Sie werden vom Schlagzeilenbalken förmlich angesprungen, sehen daraufhin nur noch rot, und ertränken darin geradezu den ebenfalls roten erklärenden Zusatz.

Initiator: Paritätischer Wohlfahrtsverband

Hinter dem Gedanken, Hartz-4-Beziehern künftig „mehr Geld für Kneipenbesuche“ zur Verfügung zu stellen, steckt der Paritätische Wohlfahrtsverband. Wie weitere Sozialverbände regt er an, dieser Personengruppe etwas zusätzliches Geld zu geben für den Kauf von Alkohol und Tabak. Gedacht ist an Beträge von monatlich 17 Euro für Alkohol- und Tabakwaren sowie 24 Euro für Gaststättenbesuche.

Wichtig für soziale Teilhabe

Was zunächst provokant klingt, erweist sich bei näherer Betrachtung bloß als Erfüllung einer Vorgabe im Sozialrecht. Sozialleistungen sollen nicht nur Unterkunft, Heizung oder Ernährung finanzieren, sondern unter anderem ihre Empfänger auch zur sozialen Teilhabe befähigen. Bisher verband der Gesetzgeber die dafür vorgesehenen Anteile des Hartz-4-Regelsatzes mit kulturellen Ereignissen wie Theater- oder Museumsbesuchen.

Eine wichtige Rolle im Sozialleben spielen jedoch auch Gaststätten wie beispielsweise Kneipen. Es wäre weltfremd, Essen und Trinken mit reiner Nahrungsaufnahme zu verbinden, die still zu Hause erfolgen kann. Neben geselligem Beisammensein in Wohnungen im Freundeskreis ist es normal, sich zu Gaststättenbesuchen zu verabreden.

Wer hier nicht einigermaßen mithalten kann, ist schnell ausgeschlossen. Einladungen empfinden viele Sozialhilfeempfänger hierbei als demütigend. Mit etwas mehr Geld für gelegentliche Lokalbesuche erhalten sie ihre Würde zurück und behalten sozialen Anschluss. Also ist die Schlagzeile der BILD-Zeitung kein Skandal, sondern eine begrüßenswerte Nachricht.

Bildquelle: © Syda Productions – Fotolia.com

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