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In Schweden stehen die Ärzte vor einem großen Rätsel: Kinder von Flüchtlingsfamilien fallen in einen Zustand ähnliches eines Komas. Außerhalb des Landes gibt es keine vergleichbaren Fälle.

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Dauer-Ohnmacht bei Flüchtlingskindern

Für „The New Yorker“ ist das Problem, mit dem die schwedischen Ärzte seit einigen Jahren kämpfen, einer Epidemie gleichzusetzen: Hunderte Flüchtlingskinder fallen in eine Dauer-Ohnmacht, die oftmals an einen komatösen Zustand erinnert – und zwar dann, wenn ihren Familien die Abschiebung droht. In 2016 sollen rund 60 Kinder von diesem Koma-Zustand betroffen gewesen sein. Außerhalb des Landes konnte man keine ähnlichen Fälle feststellen.

400 betroffene Kinder seit 2005

In einer Studie zu diesem medizinischen Phänomen erklärte der Direktor der Universitätsklinik Karolinska in Stockholm, Göran Bodegard, seit 2005 seien rund 400 Kinder aus diesem Grund behandelt worden. Meist seien es Kinder zwischen acht und 15 Jahren, die in eine lang anhaltende Ohnmacht fallen, wenn über den Asylantrag ihrer Familie negativ entschieden wurde.

Ein Erklärungsversuch der Mediziner

Die schwedischen Ärzte beschäftigten sich näher mit dem Problem der Flüchtlingskinder, die schnell die Zimmer im einzigen Krankenhaus in Schweden auslasteten, das Betroffene behandelte. Laut der Studie gelten die Kinder als „passiv, bewegungsunfähig, zurückgezogen, stumm und ohne Möglichkeit zu essen oder zu trinken“. Die Eltern fürchteten, ihre Kinder würden sterben.

Den Medizinern fiel schnell auf, dass fast alle betroffenen Kinder aus den ehemaligen Staaten der Sowjetunion oder Jugoslawien kamen, vorrangig Roma und Uiguren. Die Kinder erlebten also bereits ein Trauma bei der Verfolgung im Heimatland und der Flucht nach Schweden. Das nächste Trauma folgte dann mit der Abschiebung aus dem Land, das sie als nun sicher erachteten.

Eine Art „gewollter Tod“?

Der schwedische Kinderpsychiater schreibt zum „Koma“ der Flüchtlingskinder in Schweden, dass sie sich in einem Zustand befinden, der einem „gewollten Sterben“ gleiche. Ähnliches konnte man in der Vergangenheit bei Gefangenen in Konzentrationslagern oder Flüchtlingen aus Laos in den USA erkennen. Für das Verhalten der Flüchtlingskinder fanden die schwedischen Mediziner auch einen Begriff: „Uppigvenhetssyndrom“, was mit „Resignation“ beschrieben wird.

Die Flüchtlingskinder würden sich einfach aufgeben. Das sei vor allem dann zu beobachten, wenn die Kinder aus holistischen Kulturen stammten – wenn die Grenze zwischen Persönlichkeit und familiärer Gruppe nicht eindeutig ist. Aufgrund des starken Familienverbands würden sich die Kinder daher „opfern“.

Genesung dauert Jahre

Laut einem Bericht der schwedischen Sozial- und Gesundheitsagentur in 2013 konnten die Flüchtlingskinder nur genesen, wenn sie und ihre Familien als Flüchtlinge anerkannt wurden.

Aber auch dann dauerte die Genesung oftmals noch viele Jahre. Zwar sei bislang noch kein Flüchtlingskind aufgrund des Koma-Zustands verstorben, einen anderen Ansatz zur Behandlung fanden die Ärzte aber noch nicht.
Betroffener Junge: Wie in einer gläsernen Box!

„The New Yorker“ besuchte für einen Bericht einen betroffenen Jungen. Georgi kam mit fünf Jahren nach Schweden. Als die Abschiebung drohte, zog er sich immer mehr zurück, bis ihn 2015 die Aufenthaltserlaubnis entzogen wurde.

Er legte sich auf sein Bett, schloss die Augen und stand nicht mehr auf. Als die Behörden aufgrund seines Gesundheitszustandes die Aufenthaltserlaubnis wieder erteilten, begann seine Genesung. Heute erklärte Georgi, er habe sich wie in einer gläsernen Box gefühlt. Würde er sprechen, würde alles zerspringen und er ertrinken.

Bildquelle:© k_rahn – Fotolia.com

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