Nicht jeder Unternehmer ist auch einer. Wer gilt wirklich als selbstständig? Und wer ist nur scheinselbstständig? So mancher Arbeitgeber möchte teure Sozialabgaben sparen – und der „Externe“ ist in Wirklichkeit weisungsgebunden wie ein Angestellter. Erfahren Sie mehr zu den Kriterien und den Konsequenzen von Scheinselbstständigkeit.
Übersicht
- Grundlegendes zum Thema Scheinselbständigkeit
- Wie ehemalige Angestellte in der Scheinselbstständigkeit landen
- Faktor Unwissenheit
- Wer prüft wann auf Scheinselbstständigkeit?
- Wer schuldet die Sozialabgaben?
- Sanktionen Arbeitgeber
- Kriterien für Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit
- Was sagt das Gesetz?
- Welche Kriterien sprechen für eine Scheinselbstständigkeit?
- Weisungsgebundenheit als zentrales Kriterium
- Welche Kriterien sprechen für eine Selbstständigkeit?
- Das Gesamtbild entscheidet
- Die Konsequenzen einer Scheinselbstständigkeit
- Schonfrist für frischgebackene Selbstständige
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Grundlegendes zum Thema Scheinselbständigkeit
Die Frage nach der Scheinselbstständigkeit hat ihren Ursprung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen. Denn Selbstständige unterliegen nicht der Sozialversicherungspflicht – was sich Arbeitnehmer zunutze machen könnten. Engagieren sie einen selbstständigen externen Mitarbeiter, sparen sie die hälftigen Arbeitgeberanteile, die sie für ihre sozialversicherungspflichtigen Angestellten abführen müssen. Außerdem umgehen die Auftraggeber auf diese Weise die Arbeitnehmerrechte wie bezahlten Urlaub.
Wie ehemalige Angestellte in der Scheinselbstständigkeit landen
Auftragnehmer haben insofern eher das Nachsehen; die Scheinselbstständigkeit ist häufig aufgezwungen: Wird beispielsweise ein ehemaliger Angestellter als freier Mitarbeiter eingestellt, erscheint ihm dies als bessere Alternative zur Arbeitslosigkeit. Er ist froh über die Einkommensquelle und nimmt in Kauf, dass er sich selbst krankenversichern muss (das ist seit 2007 Pflicht) und dass ihm kein bezahlter Urlaub zusteht.
Faktor Unwissenheit
Häufig ist auch Unwissenheit sowohl auf Auftraggeberseite als auch auf Selbstständigenseite der Grund für eine Scheinselbstständigkeit, die jedoch insbesondere für den Auftraggeber teuer und unangenehm werden kann: Geldstrafen und strafrechtliche Konsequenzen sind möglich.
Wer prüft wann auf Scheinselbstständigkeit?
Zu den möglichen Prüfern zählen zum Beispiel die Träger der Sozialversicherungen wie der Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV). Initiiert werden kann eine Prüfung aber auch vom Auftragnehmer, entweder während des laufenden Vertragsverhältnisses (dann wird ein Teil des Honorars für Sozialabgaben herangezogen) oder wenn der Auftraggeber das Vertragsverhältnis beendet.
Dann hat der Auftragnehmer die Möglichkeit, innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Wird eine Scheinselbstständigkeit festgestellt, so kann die Kündigung unwirksam sein.
Wer schuldet die Sozialabgaben?
Der Arbeitgeber muss die gesamten Sozialversicherungsabgaben von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zurückzahlen. Die Verjährung der Ansprüche beginnt vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge fällig geworden sind. Das heißt: für maximal vier Jahre müssen die Beträge nachgezahlt werden – wenn vorsätzliches Handeln nachgewiesen wird, sogar für einen längeren Zeitraum von bis zu 30 Jahren.
Sanktionen Arbeitgeber
Zusätzlich muss der Arbeitgeber mit einem Bußgeldverfahren rechnen. Wird ihm Vorsatz nachgewiesen, droht sogar eine Gefängnisstrafe. Außerdem kann das Finanzamt rückwirkend für bis zu vier Jahre die entgangene Lohnsteuer verlangen. Wer im Vorfeld Scheinselbstständigkeit vermeiden möchte, kann bei der Clearingstelle des DRV ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren beantragen.
Kriterien für Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit
Was sagt das Gesetz?
Im Gesetz fehlt die Definition von Scheinselbstständigkeit. Stattdessen liefert es in § 7 Absatz 1 SGB IV nur Anhaltspunkte darüber, wann eine Beschäftigung im Angestelltenverhältnis vorliegt.
- Tätigkeit nach Weisungen
- Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers
Seit 2003 lässt das Gesetz die Vermutungskriterien für Scheinselbständigkeit vermissen. Die Beweisführung, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, liegt beim DRV.
Welche Kriterien sprechen für eine Scheinselbstständigkeit?
Mehrere Anhaltspunkte sprechen dafür, dass ein Selbstständiger nicht als eigener Unternehmer handelt, sondern in Form einer Scheinselbstständigkeit weisungsgebunden im Auftrag des Arbeitgebers.
- Die Tätigkeiten werden regelmäßig für ein und denselben Auftraggeber verrichtet
- Die Tätigkeit entspricht der Aufgabe, die der Auftragnehmer zuvor als Angestellter im Beschäftigungsverhältnis verrichtet hat
- Der Selbstständige beschäftigt regelmäßig keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer
- Der Selbstständige ist im Wesentlichen und auf Dauer nur für einen Auftraggeber tätig (80% des Umsatzes oder 5/6 seiner Zeit, nicht nur projektbezogen oder zeitlich im Voraus begrenzt)
- Unternehmertypisches Handeln fehlt (keine Akquise, keine Werbung, keine Homepage)
Weisungsgebundenheit als zentrales Kriterium
Die Deutsche Rentenversicherung führt zum Thema Schutz im Ratgeber „Selbstständig – wie die Deutsche Rentenversicherung Sie schützt“ (http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/232692/publicationFile/31795/selbstaendig_wie_rv_schuetzt_aktuell.pdf) weiterhin folgende Verpflichtungen des Auftragnehmers auf:
- allen Weisungen des Auftraggebers Folge zu leisten
- bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten
- detaillierte Berichte regelmäßig in kurzen Abständen abzuliefern
- in den Räumen des Arbeitgebers oder von ihm bestimmten Räumen zu arbeiten
- vorgegebene Hard- und Software aus Kontrollaspekten zu verwenden
Welche Kriterien sprechen für eine Selbstständigkeit?
Umgekehrt sprechen bestimmte Voraussetzungen für eine echte Selbstständigkeit. Dazu zählen folgende Kriterien:
- trägt unternehmerisches Risiko
- unterhält eigene Geschäftsräume
- verfügt über eine eigene Ausstattung (PC, Laptop, Büromöbel, Software, Geräte)
- erhält Honorar für erbrachte Leistungen statt für Anwesenheit im Betrieb
- kein Honorar während des Urlaubs
- ist nicht an Arbeits- oder Pausenzeiten gebunden
- kalkuliert eigene Preise
- bestimmt die Zahlungskonditionen
- hat eine Homepage, ein Firmenschild, ein Logo etc.
- verfügt über eine Berufshaftplichtversicherung
- betreibt Werbung und Akquise
- ist Mitglied in einem Berufsverband
- hat mindestens einen sozialversicherungspflichtigen Angestellten
Das Gesamtbild entscheidet
Diese Kriterien müssen nicht alle zutreffen, vielmehr erzeugen sie in ihren Variationen ein schlüssiges Gesamtbild, das die Selbstständigkeit deutlich macht.
Die Konsequenzen einer Scheinselbstständigkeit
Wenn der DRV im Rahmen einer Betriebsprüfung nachweisen kann, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, müssen die Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber nachgezahlt werden. Zudem sind eventuell Säumniszuschläge fällig. Außerdem wird der freie Mitarbeiter zum Arbeitnehmer mit allen Rechten, die dieser Status mit sich bringt: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, gesetzlicher Kündigungsschutz, mindestens vier Wochen bezahlter Urlaub etc.
Schonfrist für frischgebackene Selbstständige
Nicht selten startet ein Selbstständiger tatsächlich mit nur einem Hauptkunden. In diesem Fall gibt es Befreiungsmöglichkeiten, die eine Schonfrist von drei Jahren nach Existenzgründung vorsehen. In ihrem Unternehmenskonzept müssen Existenzgründer in jedem Fall die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern anstreben.
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