Hartz-IV-Urteil Rückzahlung Mietkaution unzumutbar
ArbeitslosHartz 4News am

Wichtiges Urteil: Jobcenter müssen künftig atypische Ausnahmen überprüfen und dürfen den Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht ohne weiteres dazu auffordern, ein Hartz-IV-Mietdarlehen abzustottern.

Wie nun in einem Gerichtsurteil entschieden wurde, darf von notleidenden Harzt-IV-Beziehern nicht pauschal verlangt werden, dass diese ein erhaltenes Mietkautionsdarlehen über Monate oder gar Jahre hinweg von ihren Sozialleistungsbezügen abstottern.

In atypischen Ausnahmefällen muss die Behörde weitere Alternativen der Mietkautionsgewährung in Betracht ziehen. Dies entschied am Donnerstag, 18. Mai 2017 das Landessozialgericht in Hamburg.

Der konkrete Fall

Im gerichtlichen Fall ging es um eine Bezieherin von Hartz-IV-Leistungen, die viele Jahre lang wohnsitzlos und zudem an einem Abhängigkeitsleiden erkrankt war. Zeitweise musste die Frau sogar betreut werden.

Als die Betroffene schließlich eine Wohnung vorfand, musste sie 1.200 Euro Kaution aufbringen. Das zuständige Jobcenter gewährte für diesen Fall ein typisches Darlehen, welches monatlich mit zehn Prozent ihrer Regelleistung abgezahlt werden sollte. Das Darlehen in Höhe von 1.200 Euro müsste sie somit über 30 Monate hinweg mühsam von ihrer Regelleistung abstottern.

Mit dieser Situation sah sich die Betroffene in unzumutbarer Weise überlastet. Sie erklärte, dass das Jobcenter ihre Situation nicht auf Ermessen geprüft hätte und ob ihr die Mietkaution nicht in einer anderen Weise gewährt werden könnte.

Zum Beispiel durch einen Zuschuss. Sie kritisierte, dass das Jobcenter nicht ihre individuelle Situation geprüft hätte und dass sie aufgrund ihrer psychischer und körperlichen Beschwerden auch keine Chance hätte, einen Job zu finden. Die Tilgung über ihre Grundsicherung würde für sie zu einer dauerhaften nicht hinnehmbaren Bedarfsunterdeckung führen.

Klage vor Gericht: Mit dem Urteil vom 23. Februar 2017 sprach das Landessozialgericht ihr sogar Recht zu. Zwar sei es durchaus zumutbar, dass Hartz-IV-Bezieher Schulden in Form eines Mietkautionssdarlehens von ihrem Einkommen beziehungsweise von ihrer Sozialhilfe abzahlen würden, doch müsse das Jobcenter in Einzelfällen auch atypische Ausnahmefälle berücksichtigen. Im Falle der Frau ist eine solche Prüfung jedoch nicht durchgeführt worden.

Die Lebenssituation der Frau war unter anderem aufgrund ihrer langen obdachlosen Zeit „in körperlicher, seelischer und sozialer Hinsicht von besonderen Schwierigkeiten geprägt“, erklärte das Landessozialgericht.

Somit würde bei der Frau ein erheblicher Unterstützungsbedarf bestehen, der zeitweise sogar bis zur Einrichtung einer Betreuung ging. Aufgrund der prekären Lebenssituation würde es die Klagende besonders hart treffen, wenn sie ein Darlehen über einen Zeitraum von 30 Monaten in Höhe von zehn Prozent ihres Regelbedarfs abzahlen müsste.

Landessozialgericht zeigt interessante Kompromisslösung auf

Für das Jobcenter gebe es bei der zu treffenden Ermessensentscheidung nicht nur die Alternativen „Zuschuss“ oder „Darlehen mit monatlicher Tilgung“, sondern auch eine interessante Kompromissmöglichkeit: Man könne ein Darlehen zunächst auch ohne Tilgung gewähren und im Fall der Mietkaution dann erst beim Auszug eine Tilgung verlangen. Eine solche Möglichkeit sei jedoch vom Jobcenter erst gar nicht geprüft worden, erklärte der Hamburger Richter.

So geht es der Frau heute

Aufgrund ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung bezieht die Frau heute gar kein Hartz IV mehr. Da sie als nicht mehr arbeitsfähig eingestuft wurde, fällt sie in die Sozialhilfe. Ob das Sozialamt ihr das Darlehen für die Mietkaution durch diesen Umstand fortführen müsste, war nicht Teil des Entscheides.

Bildquelle: © Butch – Fotolia.com

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