Das Online-Magazin von „T-Online“ führte vor wenigen Monaten ein sehr interessantes Interview zusammen mit dem ehemaligen Sozialrichter Jürgen Borchert. Im Interview sprach er über die vielen Probleme, die Eltern heutzutage haben. Und unter anderem auch darüber, dass das Kindergeld ja in Wirklichkeit gar ein „Geschenk“ vom Staat sei…
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Familien werden extrem benachteiligt
Laut Jürgen Borchert sei es nur schwer möglich, eine wirkliche Ursache für die Benachteiligung der Eltern in unserem Steuer- und Sozialsystem zu finden. Er erklärte, dass in Deutschland insbesondere Arbeitnehmer mit Kindern im weltweiten Vergleich mit am härtesten durch Steuern und Sozialabgaben belastet würden. Dieses Verhalten würde die OECD Jahr für Jahr anprangern. Allerdings würden leider keine Konsequenzen daraus gezogen.
Das sind die Belastungen der Familien in Deutschland
Ein besonders markantes Problem, das Familien zu einer strukturellen Benachteiligung führe, seien die Einkommen. Denn Arbeitnehmereinkommen seien grundsätzlich Markteinkommen. Es würde nicht weiter geschaut, wie viele Personen von dem Einkommen leben müssten. Für eine Familie bedeute das somit eine härtere Belastung.
Ein weiteres Problem der deutschen Strukturen sei eine Benachteiligung von Arbeitnehmern mit Kindern durch die Renten-, Kranken-, Pflege und Arbeitslosenversicherungen, die durch die Sozialversicherungsbeiträge finanziert werden. Die Sozialversicherungsbeiträge knüpfen direkt am Lohn an und mindern diesen enorm.
Laut dem Experten seien die Beiträge allerdings nicht linear-proportional. Sie werden anders kalkuliert als die Lohnsteuer, die mit erhöhten Einkommen und damit erhöhter Leistungsfähigkeit steigt.
Hier gebe es nämlich die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze – sie stellt gerade die Personen von weiteren Beiträgen für die Sozialversicherungen frei, die am meisten verdienen. Gut verdienende Personen können sich hierdurch einer weiteren sozialen Verantwortung für das Gemeinwohl entziehen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt seien die hohen Konsumsteuern in Deutschland. Diese hat der Staat nach und nach für eine flüssigere Staatsfinanzierung ins Leben gerufen. Verbrauchersteuern wie die Mehrwertsteuer würden genauso regressiv wie die Sozialversicherung wirken.
Denn je kleiner die Einkommen sind, desto größer ist zwangsweise auch der Verbrauchsanteil. Unter dem Strich würden mehr als 70 Prozent der Staatseinnahmen auf den Sozialabgaben und den Verbrauchssteuern beruhen. Dies treffe insbesondere die Familienhaushalte mit niedrigerem Einkommen.
Doppelte Kinderarmut als Folge
Das Resultat des Ganzen sei eine doppelte Kinderarmut. Innerhalb von rund fünfzig Jahren hätten sich die Geburtenzahlen halbiert. Die Deutschen seien somit Weltmeister in der lebenslangen Kinderlosigkeit. Denn mittlerweile seien es schon etwa 30 Prozent der Bevölkerung. Mittlerweile würden nur noch zwei Prozent der Familien drei Kinder haben.
Gleichzeitig habe die Verarmung zugenommen, da die Sozialsystem Familien mit Kindern ebenso sehr belasten, wie Personen ohne Nachwuchs. Auch die Bildungsvoraussetzungen seien schlechter geworden. Immer mehr Kinder würden die Schule ohne einen Abschluss verlassen. Sie würden nicht einmal mehr das Minimum der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen beherrschen. Dies betreffe mittlerweile etwa jeden vierten Jugendlichen.
Eine Konsequenz könnte sein, dass Deutschland in Zukunft nicht nur an einem Fachkräftemangel leiden könnte, sondern dass auch die Voraussetzungen für künftige Produktivitätszuwächse sinken könnten.
Kindergeld: Eine Rückgabe von Diebesgut?
Nun zeige sich insbesondere beim Kindergeld, wie verworren das System sei. Denn diese staatliche Zuwendung sei zum größten Teil nur die Rückzahlung der Steuern, die der Staat bei der an sich verbotenen Besteuerung des Existenzminimums eingenommen hätte. Somit sei das Kindergeld letztendlich nicht mehr als eine Rückgabe von Diebesgut.
Fatal: Die meisten Leute würden denken, dass die staatlichen Zahlungen von jährlich 37 Milliarden Euro staatliche Geschenke seien. Doch mit dieser Annahme liege man total falsch.
Beitragsfreiheit von Kindern in Krankenkassen
Auch beim Thema Beitragsfreiheit würden Tatsachen verschleiert werden. Hierzu empfehle es sich, sich etwas mit dem Thema Unterhaltsrecht zu befassen. Denn danach müssten Eltern mit ihren minderjährigen Kindern notfalls das letzte Hemd teilen. Wenn von den Eltern in der Familie ein Einkommen erzielt würde, hätten die Kinder automatisch einen Anspruch auf Unterhalt.
Der Krankenversicherungsbeitrag ergebe sich allerdings aus dem gesamten Bruttoeinkommen der Eltern. Hier werden auch die Unterhaltsansprüche der Kinder mit eingerechnet. Das würde wiederum bedeuten, dass die Kinder sozusagen aus ihrem eigenen Unterhalt die Beiträge für die Krankenversicherung zahlen müssen.
Eine beitragslose Mitversicherung der Kinder gebe es somit nicht. Empirisch sei zudem nachgewiesen, dass Familien mit bis zu drei Kindern mehr Beitrage in die Krankenversicherung einzahlen, als sie kosten.
Kinderlose beschweren sich dennoch
Viele Personen, die Sozialversicherungsbeiträge zahlen und keine Kinder haben – etwa Ruheständler oder Berufstätige – beschweren sich dennoch über die hohen Sozialabgaben. Sie können nicht nachvollziehen, dass sie noch mehr Sozialabgaben zahlen sollten. Auch hierzu hat Experte Jürgen Borchert eine Antwort:
Denn wer das behaupte, der mache sich nicht klar, wie gewaltig die Summen seien, die er im Altern von Nachwuchsgenerationen erhalten würde. Die Gesundheitskosten eines Ruheständlers würden sich auf mehr als das Zehnfache der Kosten eines Kindes bis zu seinem 20. Lebensjahr belaufen.
Ähnlich sei es bei der Rente. Denn der Ruhestand werde nicht mit den eigenen Einzahlungen während des Berufslebens finanziert. Die Renten würden hingegen zu hundert Prozent aus den Arbeitsergebnissen der heranwachsenden Generation stammen.
Wie könnte das Leben von Familien gerechter gestaltet werden?
Laut Ansicht des ehemaligen Sozialrichters Jürgen Borchert müsste zuerst einmal damit angefangen werden, irreführende Vorstellungen über die Rentenversicherung, über die angeblich beitragsfreie Mitversicherung des Kindes oder damit, dass das Kindergeld ein Geschenk des Staates sei, aufzuräumen.
Es würde eine familienpolitische Strukturreform benötigt werden. Diese solle das verwirklichen, was man bereits im Jahr 1957 gewollt hätte:
Eine soziale Großfamilie schaffen, deren Verteilungsströme dem nachgebildet würde, was früher in den drei Generationen der Kleinfamilie passierte.
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