Frühchen haben es nicht gerade einfach: Es ist bereits bekannt, dass Frühchen auch noch viele Jahre, möglicherweise sogar ihr ganzes Leben an den Folgen leiden. Was jedoch nur wenige wissen, ist, welche Rolle der Brutkasten dabei spielt, in dem die Babys Tage oder teilweise sogar Wochen verbringen müssen…
Die Medizin kann heute selbst extrem verfrühte Babys retten. Viele der süßen Winzlinge überstehen den vorzeitigen Start ins Leben sogar körperlich gesund. Damit sind wir der Medizin natürlich zu großem Dank verpflichtet – allerdings gibt es bei der aktuellen Frühchen-Aufzucht auch ein paar Probleme. Unter andere kann die Psyche des Babys nämlich oft nicht mithalten. Studien zeigen nun die dramatischen Auswirkungen, die eine Frühgeburt nach sich ziehen kann…
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Aus Frühchen werden ängstliche und unsichere Erwachsene:
Die meisten Frühchen holen bis zum Schuleintritt die körperlichen Defizite nach
Jedes dritte der Frühchen hat allerdings auch noch dauerhaft emotionale, soziale und kognitive Schwierigkeiten
Frühchen brauchen auch später noch mehr Unterstützung, um ihre Ängstlichkeit und Kommunikationsschwäche zu überwinden
Allgemein bezeichnet man die Kinder als Frühchen, die mit weniger als 36 Wochen im Mutterleib heranwachsen. Noch bis in die 1980er Jahre hatten Frühchen kaum eine Überlebenschance, wenn sie vor der 30. Schwangerschaftswoche geboren wurden. Wenn sie es doch überlebt hatten, litten sie meist ihr Leben lang an schweren Behinderungen.
Heute hingegen kann die Medizin nahezu Wunder vollbringen, denn mittlerweile überleben ganze 80 Prozent der Babys, die schon nach 26 Wochen zur Welt kommen. Ganze 95 Prozent von ihnen schaffen es sogar ohne größere gesundheitliche Beeinträchtigungen. Und spätestens zum Schulbeginn haben sich die einstigen Frühchen so gut erholt, dass sie zu den anderen Kindern zumindest physisch aufschließen können.
Auswirkungen des sterilen Brutkastens
Allerdings haben Frühchen leider viel zu oft auch noch ein paar Defizite, die sich nicht so einfach nachholen lassen. Die Zeit im sterilen Brutskaten fordert den Kleinen viel ab. Vor allem die Psyche leidet immens. Wie sehr und nachhaltig die Zeit im Mutterleib fehlt, zeigt nun eine Reihe neuerer Studien. Diese haben sich insbesondere mit der psychischen und geistigen Entwicklung Frühgeborener beschäftigt:
Der Professor für Entwicklungspsychologie an der Universität Warwick, Dieter Wolke, hatte hierzu eine Langzeitstudie durchgeführt, die erstmals die Persönlichkeit von Frühgeborenen als Erwachsene untersuchte.
Hierzu befragte er rund 200 Frühgeborene aus den Jahren 1985 und 1986. Zum Zeitpunkt der Analysen befanden sich die Frühgeborenen in einem Alter von rund 20 Jahren. Hinzu zog er dann noch eine gleichaltrige Kontrollgruppe, die zum ganz normal berechneten Zeitpunkt zur Welt kamen.
Kontaktscheu und Introvertiert
Das Ergebnis seiner Studie war, das sich Kinder, die mit weniger als 1.500 Gramm zur Welt kamen oder vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren wurden, als Erwachsene wesentlich ängstlicher, unsicherer und introvertierter sind.
Risiken scheuen sie ebenso wie soziale Kontakte. Außerdem finden sie es schwierig, sich mit anderen Menschen locker zu unterhalten. Es zeigte sich außerdem, dass die Symptome umso deutlicher wurden, je früher die Geburt stattfand. Natürlich wirkte sich das alles auch auf Schule, Beziehung oder Beruf aus.
Mittlerweile sind die damals befragten Frühchen 26 Jahre alt. Ein Viertel von ihnen hatte noch nie eine sexuelle Beziehung. In der Kontrollgruppe sieht es dagegen anders aus. Hier waren es weniger als ein Prozent. Was sich allerdings auch zeigt, ist, dass die Frühgeborenen ihren Eltern besonders nahe stehen.
Kognitive Schwächen
Zu den emotionalen Defiziten kommen noch weitere Probleme der Frühchen. Sie leiden häufig auch an kognitiven Schwächen. Sie lernen wesentlich langsamer, können sich weniger gut ausdrücken und haben besonders viele Probleme in der Mathematik. Auch ihr IQ liegt teilweise um bis zu zehn Punkte unter dem Durchschnitt. All das mindert im Erwachsenenleben natürlich die Karrierechancen und führt zu einem unterdurchschnittlichen Einkommen.
In wiefern sind die Eltern für die Probleme der Kinder verantwortlich?
„Es kommt immer schnell die Vermutung, dass überfürsorgliche Eltern am ängstlichen Wesen vieler Frühgeborener schuld seien“, erklärt der Professor. Allerdings zeigen seine Studien auch, dass sich die Eltern von Frühchen nicht viel anders verhalten, als die Eltern „pünktlicher“ Kindern.
Das Problem scheint einfach zu sein, dass die Kinder extrem empfindsam gegenüber negativen Umweltereignissen sind. Auch Erfahrungen nehmen sie deutlich intensiver war und können diese daher auch oft mit wesentlich negativeren Emotionen bestücken.
Dennoch sollten Eltern ihren Frühchen nicht sämtliche Schwierigkeiten aus dem Weg räumen. Es ist wichtig, dass die Eltern ihre Kinder dabei unterstützen, mutiger zu werden. Die Eltern sollten ihren Kindern mehr zutrauen und auch mehr zumuten.
Frühchen müssen gestärkt werden
Damit die Frühchen ihre Entwicklung nachholen können, müssen sie schon so früh wie möglich gestärkt werden. Häufig entwickeln sich die ängstlichen und in sich gekehrten Kinder in der Schule nämlich auch zu Mobbing-Opfern. Selbst das hatte der Professor Dieter Wolke in einer Studie nachgewiesen. „Hier sind tatsächlich besonders oft die Kinder von Helikopter-Eltern betroffen.“ Außerdem ziehe sich das Risiko des Mobbings auch bis ins Erwachsenenalter durch.
Ist eine Frühchen-Persönlichkeit bereits im Gehirn abgelegt?
Noch ist nicht klar, ob die Frühchen-Persönlichkeiten durch Veränderungen im Gehirn hervorgerufen werden. Allerdings steht bereits jetzt fest, dass es verschiedene Auffälligkeiten im Gehirn von Babys gibt, die die letzten Entwicklungsphase außerhalb des Mutterleibs durchleben müssen. Mit anderen Worten: Ob Brutkasten oder Mutterleib – es macht einen gewaltigen Unterschied!
Wissenschaftler der Washington University in St. Louis haben dazu Hirnaufnahmen von Neugeborenen und Frühgeborenen zum Zeitpunkt ihrer planmäßigen Geburt miteinander verglichen.
Hierbei zeigten sich wesentliche Unterschiede in der weißen Substanz – das ist der Teil des zentralen Nervensystems, in dem ein Informationsaustausch zwischen den Hirnregionen stattfindet. Besonders betroffen waren scheinbar die Areale für Aufmerksamkeit, Kommunikation und Emotionen.
Auch in den Hirnscans frühgeborener Erwachsener zeigten sich ähnliche Auffälligkeiten in der weißen Hirnsubstanz.
Ausnahmen unter den Frühchen
Die Wissenschaftler haben eine Vermutung, weshalb einige Frühchen ihre Frühgeburt kompensieren konnten: Es könnte sein, dass Frühgeborene, die sich völlig normal entwickeln, die Fähigkeit des Gehirn nutzen können, um die Aufgaben von defekten Arealen auf andere Hirnregionen zu übertragen.
Nun hat die Forschung die wichtige Aufgabe, die gewonnenen Erkenntnisse gezielt einzusetzen, damit eine Fehlentwicklung der Gehirnareale bereits im Brutkasten vorgebeugt werden kann.
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