Das Jobcenter darf den Satz von Hartz IV pauschal kürzen – zumindest für Kinder unter 25 Jahren. Wer bei den Eltern wohnt, bringt auf diese Weise nämlich Kostenersparnisse. Und genau das ist auch der Grund, weshalb die Jobcenter den unter 25-Jährigen den Satz pauschal um 20 Prozent kürzen können, wenn sie im Haushalt ihrer Eltern wohnen. Das entschied nun das Bundesverfassungsgericht in einem veröffentlichen Beschluss.
Der Gesetzgeber gehe in diesem Falle nämlich zu Recht von einer Bedarfsgemeinschaft aus – so erklärten die Karlsruher Richter. Zudem sei auch die Anrechnung der Einkommen der Eltern auf die Hartz-IV-Leistung des Kindes aus diesem Grund erlaubt.
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Regelung für erwachsene Kinder unter 25 Jahren
Aus dem Sozialgesetzbuch II geht hervor, dass Erwachsene unter 25 Jahren, die noch bei ihren Eltern leben, nicht den vollen Hartz-IV-Satz für Alleinstehende erhalten, sondern nur 80 Prozent. Hier wird die Annahme zugrunde gelegt, dass das Kind mit seinen Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. Und bei einer Bedarfsgemeinschaft geht man davon aus, dass alle „aus einem Topf wirtschaften“.
Also würde auch ein Umzug des Kindes in eine eigene Wohnung in der Regel nicht zu einem höheren Arbeitslosengeld führen. Erst ab dem 25. Lebensjahr können die Kinder den vollen Hartz-IV-Satz beanspruchen – und zwar im Übrigen auch dann, wenn sie noch bei ihren Eltern wohnen.
Hintergrund des Falls
Vor das Gericht trat ein Bezieher von Hartz IV, der zwar bereits volljährig war, allerdings unter 25 Jahre alt war. Dieser lebte zudem noch bei seinem Vater. Die damalige Arbeitsgemeinschaft in Weiden-Neustadt im Regierungsbezirk Oberpfalz hatte die Leistungen für Hartz IV für den Sohn zwar bewilligt, diese allerdings auch pauschal um 20 Prozent gekürzt.
Der Vater bezog eine Erwerbsminderungsrente. Diese wurde teilweise mindernd von der Behörde als Einkommen angerechnet. Es schien, als würden Sohn und Vater eine gemeinsame Bedarfsgemeinschaft bilden. Dieses Argument war ausschlaggebend für die pauschale Kürzung.
Nun hielt der Sohn die pauschale Kürzung und die teilweise Anrechnung der Erwerbsminderungsrente seines Vaters auf seine Hartz-IV-Leistung als verfassungswidrig. Sein Vater sei ihm gegenüber überhaupt nicht unterhaltspflichtig, so der Sohn. Denn die Rente des Vaters liege noch unter dem gesetzlichen Selbstbehalt. Also dürfe dieser auch nicht teilweise als minderndes Einkommen angesehen werden.
Die Arbeitsgemeinschaft würde fiktiv an ihn gezahlte Unterhaltsleistungen des Vaters annehmen, die es in Wirklichkeit gar nicht gebe. Durch die daraus resultierende Minderung würde sein menschenwürdiges Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. Zudem rügte der Sohn eine Ungleichbehandlung gegenüber 25 Jahre oder älteren Kindern, die noch bei den Eltern leben. Sie würden nämlich den vollen Hartz-IV-Satz erhalten.
Das Bundessozialgericht hatte am 19. Oktober 2010 geurteilt, dass die Erwerbsunfähigkeitsrente des Vaters als Einkommen berücksichtigt werden konnte. Demnach stehe dem Sohn aufgrund einer bestehenden Bedarfsgemeinschaft nur 80 Prozent des Regelsatzes eines alleinstehenden Hartz-IV-Beziehers zu.
Das Bundesverfassungsgericht wies allerdings die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde in seinem Beschluss vom 27. Juli 2016 zurück. Der Gesetzgeber dürfe nämlich typisierend unterstellen, dass sich Familienangehörige gegenseitig unterstützen und dass sie in einer gemeinsamen Wohnung auch „aus einem Topf wirtschaften“. Somit könne man davon ausgehen, dass eine Bedarfsgemeinschaft zwischen unter 25-jährigen erwachsenen Kindern und ihren Eltern besteht. Damit sei die Minderung um 20 Prozent gerechtfertigt und ebenso das menschenwürdige Existenzminimum gewährleistet.
Entscheidung erster Senat
Weiter sagt der erste Senat: Einkommen und Vermögen eines Familienmitgliedes könne vom Jobcenter auch unabhängig von einem bestehenden Unterhaltsanspruch berücksichtigt werden. Der Vater würde im in dem Fall über die entsprechenden Mittel verfügen, um seinen Sohn zu unterstützen.
Letztendlich habe der Gesetzgeber mit der pauschalen Kürzungsregelung für unter 25-jährige erwachsene Kinder ein legitimes Ziel verfolgt. Denn durch das Vorgehen würde die Solidargemeinschaft geschont werden. Die unterschiedliche Behandlung von Kindern, die im Haushalt der Eltern leben und unter 25 Jahre alt sind, sei mit dem Grundgesetz vereinbar. So entschied das Bundesverfassungsgericht.
Nun könnten allerdings auch nur die Hilfsbedürftigen in eine Bedarfsgemeinschaft einbezogen werden, die auch tatsächlich unterstützt werden. Das forderten die Karlsruher Richter. Sei dies jedoch nachweislich nicht der Fall, müsste die Gewährleistung eines Existenzminimums durch die Fachgerichte geprüft werden.
Allerdings bezieht sich die Entscheidung der Karlsruher Richter nur auf einzelne volljährige Kinder bei einem Elternteil. Auch Paare erhalten nur einen entsprechend geminderten Satz. Immerhin bei solchen Bedarfsgemeinschaften, die aus zwei Personen bestehen, reichten die statistischen Belege dafür aus, dass das Existenzminimum noch weiterhin gedeckt ist.
Ob dies allerdings auch für Paare mit einem volljährigen Kind oder für Eltern mit mehr Kindern gilt, wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht geklärt.
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