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Nicht nur unmittelbar nach der Geburt haben es die Frühchen schwer – auch viele Jahre später noch können die Folgen einer zu frühen Geburt schwerwiegend sein. Erschreckender Weise kommt etwa jedes zehnte Baby zu früh zur Welt. Hier zeigen wir Ihnen, was die typischen Langzeitfolgen sein können…

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Immer mehr Frühchen in Deutschland

In Deutschland kommt derzeit etwa jedes zehnte Kind zu früh zur Welt. Doch wie es scheint, sind es immer mehr Babys, die zu früh das Licht der Welt erblicken. So waren es im Jahr 1997 noch etwa 7 Prozent der Geburten – heute kommen bereits 9 Prozent der Babys zu früh zur Welt.

Allein in Deutschland werden jedes Jahr laut Angaben der „Ärzte Zeitung“ rund 63.000 Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt gebracht. Etwa 8.000 Kinder davon erblicken sogar schon vor der 30. Schwangerschaftswoche das Licht der Welt.

Deutlich mehr Frühchen überleben

Die Chancen stehen mittlerweile sehr gut für die Kleinen, denn heute überleben selbst unreifste Frühchen. Zum Teil kommen sie nach nur etwas mehr als 20 Wochen auf die Welt. Das ist gerade einmal die Hälfte der normalen Schwangerschaftszeit.

Späte Folgen einer Frühgeburt

In vielen Fällen haben die Frühchen später einmal gesundheitliche Defizite. Kein Wunder, denn wenn die Kinder zu früh auf die Welt kommen, sind Organe und Immunsystem noch längst nicht fertig ausgebildet.

So kommt es auch zu Auswirkungen auf die geistige und seelische Verfassung und Entwicklung. Das kann sich wiederum in der Schulzeit oder im Arbeitsleben nachteilig auswirken. Selbst das Sozialleben kann hierdurch in Mitleidenschaft gezogen werden. Das haben nun internationale Langzeitstudien nachgewiesen.

Dank dem heutigen Stand der Medizin konnte man viele Fortschritte in der Therapie von Frühchen machen. Durch das ausgeklügelte intensivmedizinische Betreuungsprogramm können heute immer frühere Frühchen am Leben erhalten werden. Hierbei zählt natürlich in erster Line der Erfolg, das ein Frühchen überhaupt überlebt.

Allerdings führte auch genau dieser Erfolg dazu, dass sich die Forschung zu lange Zeit nicht mit den Folgen einer Frühgeburt beschäftigt hatte. Man wusste also nicht genau, in wiefern sich ein Frühchen später abweichend von normalen Geburten entwickelte. Weder im Sozialleben, noch in der Schule oder im Beruf.

Kognitive und seelische Entwicklung oftmals gestört

Erst jetzt beginnen sich immer mehr Forscher für die Spätfolgen der Frühchen zu interessieren. Hierzu setzte man in den letzten Jahren mehrere internationale Studien über längere Zeiträume auf, die sich mit der Thematik auseinandersetzen sollten.

Eine der wichtigsten Studien ist dabei die britische Epicure Studie. Sie wurde vom deutschen Entwicklungspsychologen Dieter Wolke von der University Warwick geleitet. Hierbei wurden alle Frühchen flächendeckend untersucht, die 1995 nach 26 Schwangerschaftswochen und weniger auf Neonatalstationen in Großbritannien und Irland geboren wurden.

Es zeigte sich, dass insbesondere kognitive Leistung sowie emotionale und soziale Entwicklung unter einer Frühgeburt leiden. So tauchen bei Frühgeburten beispielsweise häufiger Probleme im Bezug mit ihrem mathematischem Verständnis auf. Das betrifft insbesondere komplexere Rechenvorgänge.

Kurze Schwangerschaft gleich niedriger IQ?

Das Team um den Entwicklungspsychologen konnte nachweisen, dass Frühchen, verglichen mit üblichen Geburten, etwa zweimal häufiger an Aufmerksamkeitsstörungen leiden. Sie haben etwa drei- bis viermal häufiger Angst- und Depressionsstörungen und sind zudem deutlich introvertierter, werden weniger durch ihr soziales Umfeld wahrgenommen und sind sogar im Schnitt öfter die Opfer von Mobbing.

Eine weitere wichtige Erkenntnis der Forscher war, dass der IQ der betroffenen Kinder ebenfalls von der Reife bei ihrer Geburt abhängig war. Jede Woche, die ein Kind weniger Zeit im Mutterleib verbringt, kann die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen.

Probleme in der Schule und im Job

Vor allem im Schulalltag werden die Probleme, die eine Frühgeburt auslösen kann, deutlich. So zum Beispiel bei der mittlerweile 21-jährigen Maike under der 17-jährigen Melissa. Es sind Schwestern, die beide sehr früh geboren wurden.

Im Kleinkindalter wurden sie noch in der Sendung „Stern TV“ als medizinische Wunder gefeiert, da sie sich zumindest körperlich trotz der frühen Geburt wie normale Kinder entwickelten. Später allerdings, während der Schulzeit, zeigte sich, dass die Frühgeburt doch ihre Folgen hinterlassen hatte.

Hier begannen nun die Probleme der beiden. Die Mädchen lernten deutlich langsamer als die gleichaltrigen Schulkameraden und Schulkameradinnen. Besonders mit den Themen Mathematik und Rechtschreibung hatten sie Schwierigkeiten. Sie begannen sich unzulänglich und klein zu fühlen – „fast wie behindert“, so beschrieb die Mutter den Zustand in einem Hörfunkbeitrag des Hessischen Rundfunks.

Diese Entwicklung machte sich auch in der Pubertät bemerkbar. Insbesondere bei der älteren Schwester Maike wurden die Schulleistungen immer schlechter. Sie zog sich zunehmend zurück, weil sie sich nicht vollwertig fühlte. Mit 16 Jahren brach sie schließlich zusammen und versuchte sich sogar das Leben zu nehmen. Aufgrund ihrer Depressionen musste sie dann klinisch behandelt werden.

Frühchen benötigen besonders viel Aufmerksamkeit – auch später einmal

In einem wichtigen Radiointerview erzähle die junge Frau, dass sie immer geahnt habe, dass sie die Welt offenbar deutlich sensibler wahrnehme, als andere. Sie empfinde alle Eindrücke und Schwingungen als extrem intensiv. Sie würde sich deshalb umso mehr die Dinge zu Herzen nehmen. Egal ob in schulischen oder familiären Bereichen, in Freundschaften oder in der ersten Liebe.

Ihre Gefühle konnte sie nur schwer verarbeiten und kanalisieren. Ihre Verletzbarkeit wurde dadurch noch zusätzlich verstärkt. Diese Dinge schreibt sie ihrer viel zu frühen Geburt zu.

Tatsächlich scheint es laut den Erkenntnissen des Entwicklungspsychologen Wolke so zu sein, dass die häufigen emotionalen und psychischen Probleme von Frühchen daher kommen, dass sie aufgrund ihrer verminderten Gehirnentwicklung weniger fähig sind, die verschiedenen Informationen gleichzeitig zu verarbeiten und dabei Prioritäten zu setzen. Dabei fällt es ihnen auch schwer, die Emotionen anderer zu ergründen oder zu deuten.

Frühchen wollen sich nicht mit anderen messen

Sie fühlen sich anders als die Gleichaltrigen. Sie stellen schnell fest, dass sie in der Schule einfach nicht so schnell mit dem Stoff hinterher kommen. Sie müssen mehr lernen und stehen leistungstechnisch meist hinter den Klassenkameraden. Die betroffenen Kinder entwickeln aus diesem Grund Strategien, um einen Vergleich mit anderen zu vermeiden.

Eine dieser Strategien kann sein, dass sie lieber Zeit mit Jüngeren, Älteren oder Erwachsenen verbringen, als mit Gleichaltrigen. Dadurch wissen sie, dass sie sich nicht messen müssen oder durch Konkurrenz bedroht fühlen. Das Zusammensein mit Jüngeren gibt ihnen sogar das Gefühl der Überlegenheit.

Schwer für die Eltern

Gerade für die Eltern ist es alles andere als leicht zu ertragen, dass das Kind, für das so lange gekämpft wurde, unglücklich ist und unter der frühen Geburt leiden muss. Natürlich nagt dieser Umstand häufig an Müttern und Väter – viele Jahre später noch machen sich die Eltern Vorwürfe, obwohl sie nichts dafür können.

Auch die Mutter von Melissa und Maike kennt die ständige Sorge um ihre Töchter. Sie weiß, dass die Entwicklungsstörungen durch die frühe Geburt verursacht wurden und die Defizite nicht nach wenigen Jahren schon ausgestanden sein können.

Bildquelle: © Ramona Heim – Fotolia.com

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