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Noch selbstständig mit Werkvertrag tätig? Oder schon dabei, die weisungsgebundene Arbeit eines Festangestellten zu erledigen? Als Kleinunternehmer nur für einen Auftraggeber zu arbeiten, kann teuer werden – für beide Seiten. Außerdem verzichten scheinselbstständige Auftragnehmer auf Arbeitnehmerrechte wie Urlaubsanspruch oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, wo Auftraggeber weder Lohnsteuer zahlen, noch Beiträge zur Sozialversicherung abführen. Lesen Sie, wie Sie als Auftragnehmer und Auftraggeber Scheinselbstständigkeit vermeiden.

Übersicht

  • – Wer als scheinselbstständig gilt
  • – Gesetzliche Grundlage: Vermutungsregelung seit 2003 passé
  • – Hauptindiz 1: Arbeitnehmer, als Unternehmer getarnt
  • – Hauptindiz 2: Unternehmer ohne unternehmerisches Auftreten
  • Rechtsform: Wo keine Scheinselbstständigkeit vorliegt
  • – Scheinselbstständigkeit? Prüfung beantragen
  • – Folgen: Wenn der Prüfer da war
  • – Als Auftragnehmer ein schwarzes Schaf erwischt
  • – Als Auftragnehmer Vorkehrungen treffen
  • – Als Auftraggeber Scheinselbstständigkeit vorbeugen

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Wer als scheinselbstständig gilt

Generell gilt als scheinselbstständig, wer eine selbstständige Erwerbstätigkeit bei Gewerbeamt und/oder Finanzamt angemeldet hat, obwohl er alle Voraussetzungen für unselbstständige Erwerbstätigkeit erfüllt. Die behördliche Prüfung, ob Scheinselbstständigkeit vorliegt, stellt stets auf den Einzelfall ab.

Als ein wichtiges Zeichen für Scheinselbstständigkeit wird gewertet, wenn der Auftragnehmer die gleiche Tätigkeit bereits als Angestellter des Auftraggebers ausführte. Darüber hinaus nennt die Deutsche Rentenversicherung (DRV) folgende Verpflichtungen des offenkundig Scheinselbstständigen:

  • – Weisungen des Auftraggebers Folge leisten
  • – bestimmte Arbeitszeiten einhalten
  • – dem Auftraggeber in kurzen Abständen regelmäßig ausführliche Berichte präsentieren
  • – in Räumlichkeiten des Auftraggebers bzw. an von diesem bestimmen Orten arbeiten
  • – Hard- und Software verwenden, über die der Auftraggber die Tätigkeit kontrolliert

Gesetzliche Grundlage: Vermutungsregelung seit 2003 passé

Von 1999 bis Ende 2002 konnte der Sozialversicherungsträger bei Weigerung der Beteiligten, bei der Klärung der Frage Scheinselbstständigkeit mitzuwirken, eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterstellen, sofern wenigstens drei von fünf im Gesetz genannten Merkmalen zutrafen. Diese Vermutungsregelung (§ 7 Abs. 4 SGB IV) ist seit dem 1. Januar 2003 hinfällig.

Auch die Regelung, bei einer Ich-AG mit Existenzgründungszuschuss nach § 421 Abs. 1 SGB III während der bis zu drei Jahre laufenden Förderung (widerlegbar) von Selbstständigkeit auszugehen, ist mit dem 1. Juli 2009 weggefallen. Seither liegt die Beweislast bei Einzugsstellen und Betriebsprüfern von Krankenkasse oder Deutscher Rentenversicherung, die auch bei mangelnder Mitwirkung nachweisen müssen, dass es sich im Einzelfall um Scheinselbstständigkeit handelt.

Zwar ist die Vermutungsregelung nach § 7 Abs. 4 SGB IV passé, aber in ihren Merkmalen weiterhin Indiz für Scheinselbstständigkeit (ohne diese jedoch allein zu begründen).

Hauptindiz 1: Arbeitnehmer, als Unternehmer getarnt

Zwar beschäftigt der Auftraggeber keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, aber die Tätigkeit entspricht im äußeren Erscheinungsbild trotzdem jener Arbeit, die für diesen zuvor auf Basis eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde. Entsprechend führt der vermeintliche Auftragnehmer – wie in § 7 Abs. 1 SGB IV aufgeführt – eine Tätigkeit nach Weisung aus und ist in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert. Auftragnehmer verdienen mehr als 450 Euro monatlich (auch mehrere Auftragnehmer zusammengeommen).

Einkommensbezogen ist die Grenze zur Scheinselbstständigkeit erreicht, wo ein Auftragnehmer wenigstens fünf Sechstel seiner Gesamteinkünfte über den selben Auftraggeber generiert. Hinzukommt, dass Scheinselbstständige dauerhaft für einen Auftraggeber tätig sind – die ersten drei Jahre der Gründungsphase ausgenommen.

Dagegen fallen projektbezogene Tätigkeiten (bis zu einem Jahr) nicht unter Scheinselbstständigkeit, da sie im Voraus begrenzt, also nicht auf Dauer angelegt sind. Je nach Berufsgruppe – wie bei beratenden Ingenieuren – existieren jedoch Ausnahmen.

Hauptindiz 2: Unternehmer ohne unternehmerisches Auftreten

Scheinselbstständige Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns vermissen. Unternehmerisch tritt auf, wer eigene Chancen wahrnimmt, Risiken trägt und von unternehmerischer Entscheidungsfreiheit Gebrauch macht. Abhängig beschäftigt ist, wer über Einkaufs- und Verkaufspreise, Bezug von Ware, Kapitaleinsatz und Maschinennutzung nicht eigenständig entscheidet.

Zudem sich bestimmte Tätigkeiten nur als Arbeitnehmer ausüben lassen: Selbstständiger Kraftfahrer ohne eigenen LKW? Freiberufliche Sekretärin? Regalauffüller? Eindeutig scheinselbstständig! Dazu sucht man bei vielen Scheinselbstständigen Firmenschild, Geschäftsräume, Briefpapier und eigene Visitenkarten vergebens.

Der Grund: Oft fand eine Umwandlung von Arbeitnehmern in Selbstständige statt. Das heißt, die bislang im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübte Tätigkeit wurde durch Änderungsvertrag in ein selbstständiges Auftragsverhältnis überführt. Das äußere Erscheinungsbild der Zusammenarbeit wird davon nicht tangiert.

Rechtsform: Wo keine Scheinselbstständigkeit vorliegt

Diese Rechtsformen sprechen für sich, weil in der Mehrzahl der Fälle keine Scheinselbstständigkeit vorliegt:

  • – Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
  • Kommanditgesellschaft (KG)
  • – Offene Handelsgesellschaft (OHG)

Wer als Auftragnehmer sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter beschäftigt, ist ebenfalls nicht scheinselbstständig. Ist die auftragnehmende Gesellschaft dagegen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt.

Die meisten Einzelunternehmen gehören zu keiner dieser Rechtsformen. Hier prüfen Finanzamt und Sozialversicherungsträger den jeweiligen Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer – am Ende entscheiden die tatsächlichen Arbeitsumstände.

Scheinselbstständigkeit? Prüfung beantragen

Zweifel, ob Scheinselbstständigkeit vorliegt? Das schriftliche Anfrageverfahren bei der DRV beantragt die Entscheidung, ob eine Beschäftigung vorliegt. Darauf wird die DRV allen Beteiligten mitteilen, welche Unterlagen/Angaben für die Entscheidungsfindung – innerhalb einer bestimmten Frist – benötigt werden.

Zahlt der Auftraggeber weder Lohnsteuer, noch führt er Beiträge zur Sozialversicherung ab und besitzt der Auftragnehmer keine Arbeitnehmerrechte wie Urlaub, Kündigungsschutz oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, liegt der Verdacht der Scheinselbstständigkeit nahe. Auch bei Schwarzarbeitskontrollen durch den Zoll (FSK) fällt Scheinselbstständigkeit immer wieder auf.

Folgen: Wenn der Prüfer da war

Entpuppt sich ein Auftragsverhältnis als offensichtliche Scheinselbstständigkeit, bleibt dem Auftraggeber nicht anderes übrig, als den Scheinselbstständigen bei der Krankenkasse anzumelden. Stellt eine Betriebsprüfung ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis fest, muss der Auftraggeber Lohnsteuer bis zur Festsetzungsverjährung (vier Jahre) nachzahlen.

Auch Sozialversicherungsbeiträge sind rückwirkend für bis zu 30 Jahre (bei vorsätzlichem Sozialversicherungsbetrug) nachzuzahlen. Beträge, die die Kasse direkt beim Arbeitgeber einzieht. Zu Unrecht an einen Auftragnehmer gezahlte Umsatzsteuer ist zurückzufordern. Der Auftraggeber muss nun eine Rechnungsberichtigung durchführen: Auftraggeber wie Auftragnehmer müssen Umsatzsteuererklärungen und -voranmeldungen rückwirkend korrigieren.

Als Auftragnehmer ein schwarzes Schaf erwischt

Immer wieder fliegen bei Prüfungen schwarze Schafe auf, die Sozialversicherungsbeiträge sparen oder keine Arbeitgeberpflichten übernehmen wollen. Hier ziehen Auftragnehmer den Kürzeren, müssen selbst Steuern und Sozialversicherung zahlen und sich privat krankenversichern. Diese Unternehmen versuchen natürlich, lästige Auftragnehmer einfach loszuwerden.

Zum Glück ist das nicht so einfach: Scheinselbstständige Auftragnehmer können auf Festanstellung klagen. Aber Vorsicht: Manche Arbeitgeber argumentieren, sie hätten dem Betroffenen als Angestelltem weniger gezahlt. Also: Vor einem Statusfeststellungsverfahren durch die Rentenversicherung erst das Gespräch mit dem Auftraggeber suchen, auch wenn die Beweislast seit 2003 beim Rentenversicherer liegt.

Als Auftragnehmer Vorkehrungen treffen

Um einem Verdacht auf Scheinselbstständigkeit von vornherein keine Nahrung zu geben, sollten/können Auftragnehmer:

  • – eine haftungsbeschränkte UG als Einzelunternehmen gründen
  • – für mehr als nur einen Auftraggeber tätig sein
  • – einen Dienstvertrag aushandeln (inklusive Passus zur Regelung entgeltlicher Nutzung von Arbeitsmitteln)
  • – Dienstleistungen öffentlich per Website etc. bewerben
  • – Angebote an weitere Auftraggeber gut archivieren
  • – per Arbeitsprotokoll nachweisen, dass sie bei ihrer Arbeit weder zeit- noch ortsgebunden sind
  • – im eigenen/eigener Büro/Werkstatt arbeiten
  • – sich klar als extern kennzeichnen

Günstig auch, wenn der Auftragnehmer für seine selbstständige Tätigkeit eine besondere amtliche Genehmigung oder die Eintragung in die Handwerksrolle braucht – dies unterstützt die Annahme, dass es sich um echte Selbstständigkeit handelt. Dagegen reichen Gewerbeanmeldung oder Handelsregistereintrag allein nicht aus.

Als Auftraggeber Scheinselbstständigkeit vorbeugen

Ist ein Verfahren eingeleitet, ist es meist zu spät – und es wird im Zweifel auf abhängige Beschäftigung entschieden. Weshalb sich Unternehmen frühzeitig an die Clearingstelle der Rentenversicherung für sozialversicherungsrechtliche Statusfragen wenden sollten. Beteiligte werden gehört und können den Weg von Widerspruch (mit aufschiebender Wirkung) und Klage beschreiten. Was Sie als Auftraggeber präventiv tun können, ist, einen Dienstvertrag statt Arbeitsvertrag zu schließen und dort vertraglich festhalten,

  • – dass der Auftragnehmer für die Abführung gesetzlicher Abgaben selbst verantwortlich ist,
  • – welches Honorar für welche Tätigkeit anfällt,
  • – dass der Auftragnehmer Aufträge ablehnen sowie solche anderer Auftraggeber annehmen darf,
  • – dass der Auftragnehmer auch Hilfskräfte zur Erledigung von Aufgaben einsetzen darf,
  • – dass der Auftragnehmer nicht mehr als 50 Prozent seiner Kapazitäten für den Auftrag benötigt (Vollbeschäftigung vermeiden).

Um den Anschein zu vermeiden, dass ein Auftragnehmer fest in den Betrieb eingegliedert ist, sollte auf einen eigenen Schreibtisch beim Auftraggeber oder auf Firmen-Emailkonten verzichtet werden. Sinnvoll ist auch, eine Nutzungsgebühr für Arbeitsmittel zu vereinbaren. Dabei laufen Auftraggeber, die Auftragnehmern bestimmter Rechtsformen den Vorzug geben, am wenigsten Gefahr, in die Falle der Scheinselbstständigkeit zu tappen.

Bildquelle: © Tom-Hanisch – Fotolia.com

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